18 Minuten für den Frieden

Friedenstaube

Seit Wochen immer wieder erschütternde Schlagzeilen und kein Ende in Sicht. Die Ukraine leidet, Menschen fliehen und Familien müssen sich trennen. Christen schließen sich zusammen, um für den Frieden zu beten. André Bégert berichtet von seinen Erfahrungen.

Anastasia (Name geändert) sitzt in unserem Atelier, das Gesicht in ihren Händen verborgen. Eine zierliche junge Frau an einem großen Tisch. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit scheinen so massiv zu sein wie die schwere Tischplatte, auf der ihr Mobiltelefon liegt. Als sie aufblickt, schaut sie gefasst in die Runde. Ruhig beginnt sie in ukrainischer Sprache in ihr Smartphone zu sprechen, und die Übersetzungssoftware des Geräts spuckt in gut verständlichem Deutsch Geschichten eines Krieges aus, von dem sich kaum jemand hätte vorstellen können, dass sich ein solches Inferno im 21. Jahrhundert vor unserer Haustüre abspielen würde.

Seit einigen Wochen haben wir uns gemeinsam mit einigen Freunden dazu entschlossen, uns täglich bei uns zuhause von 18.00 bis 18.18 Uhr zum Gebet zu treffen. 18 Minuten lang beten wir für Frieden, für die Ukraine und für die instrumentalisierten russischen Soldaten, von denen keiner dachte, dass er in einen Krieg gegen Brüder geschickt würde. Denn auf ihrem Marschbefehl stand lediglich: «ein militärisches Manöver», irgendwo im schneebedeckten Russland. Aber wie wir alle wissen, benötigt die Bosheit kein Manöver und keine Übung, denn Krieg gehört zu ihrem Tagesgeschäft.

Anastasia ist mit ihrem jüngsten Sohn aus der Ukraine geflüchtet. Ihr Mann und seine zwei Söhne aus erster Ehe sind zurückgeblieben und kämpfen derzeit an vorderster Front in Kiew, ihrer Heimatstadt. Noch vor wenigen Wochen lebte das Lehrer-Ehepaar friedlich in der Hauptstadt der Ukraine. Sie hatten eine schöne Wohnung und freuten sich auf den Frühling und die bevorstehende Blütenpracht in den Parkanlagen der Stadt. Das Ende eines langen Winters stand bevor. Doch es kam anders.

Anastasia ist mitten aus ihrem friedlichen Leben in unsere Mitte gespült worden und bei Freunden von uns in der Schweiz untergekommen. Ob sie hier in unserem Kreis gelandet ist, weil sie an die Kraft des Gebets glaubt, weiß ich nicht. Auf alle Fälle sitzt sie am nächsten Tag pünktlich um 18.00 Uhr wieder am Tisch, mit gefalteten Händen. Gegen das Böse kann man beten, man kann es überwinden, und im «Vaterunser» steht ja: «Erlöse uns von dem Bösen» (Matthäus 6,13). Das wollen wir glauben!

Aber es gibt in diesem Krieg in der Ukraine noch einen anderen Feind als nur das Böse. Dietrich Bonhoeffer hat es in einem Zitat so ausgedrückt:

«Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit Gewalt lässt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseite geschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden, ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen … Bei genauerem Zusehen zeigt sich, dass jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Das Wort der Bibel, dass die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei (Sprüche 1,7), sagt, dass die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist.»

Heute von 18.00 Uhr bis 18.18 Uhr beten wir weiter. Diesmal nicht nur gegen das Böse, nicht nur für den Frieden, und nicht nur für die zahlreichen Opfer auf allen Seiten. Wir beten auch um göttliche Weisheit, damit wir Antworten finden auf die Frage warum alles so gekommen ist. Antworten für all jene, die sich derzeit auf der Suche nach Frieden und dem Sinn des Lebens befinden. Es werden viele sein.

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