Nachruf zu Klavierstimmer Franz Mohr

Franz Mohr

Ich werde es nie vergessen: Vor über dreißig Jahren lernte ich Franz Mohr persönlich kennen, den Mann, der als Klavierstimmer die größten Musiker dieser Welt jahrzehntelang begleitet und betreut hatte: Glenn Gould, Rudolf Serkin, Wladimir Horowitz, Arthur Rubinstein, Maurizio Pollini, Daniel Barenboim – ihnen allen hatte er gedient im tiefsten Sinne des Wortes. Die meisten dieser weltbesten Pianisten wollten gar nicht auftreten, wenn nicht Franz Mohr ihnen zuvor den Flügel gestimmt hatte. Und jetzt komme ich zwar nicht von der klassischen Musik her, sondern bin vielmehr ein Liebhaber von Blues und Irish Folk, aber natürlich hatte ich einen riesengroßen Respekt vor der Begegnung mit so einem weitgereisten und berühmten Menschen. Unser gemeinsamer Freund Beat Rink von «Crescendo» stellte mir Franz vor. Und was stand da vor mir? Ein unfassbar sympathischer, offener, extrem warmherziger Mensch voller Humor und Weisheit und – sein großes Merkmal schlechthin – mit einer kaum zu beschreibenden inneren Demut gesegnet.

Wenn ich an Franz Mohr denke, kommt mir immer der Arzt und Pfarrer Albert Schweitzer in den Sinn. Ich hatte mal die Memoiren eines Theologen gelesen, der als junger Pfarrassistent ein Ausbildungsjahr im Hospital von Albert Schweitzer in Lambarene, Afrika, vereinbart hatte. Als der junge Mann nach wochenlanger Reise endlich im Boot saß, das ihn über ein paar Flüsse nach Lambarene bringen sollte, war er doch sehr aufgeregt, denn damals gab es noch keine Sozialen Medien, keine Faxgeräte, keine Smartphones und so weiter. Will heißen: Niemand in Lambarene konnte den Tag oder die Uhrzeit seines Ankommens kennen. Der junge Theologe war sowas von nervös. «Ob mich da jemand erwartet? Ob mich da jemand abholen wird? Ob ich das Hospital im Busch ohne Hilfe finden werde?» – Als er am wackeligen, armseligen Landungssteg ankam, stand da tatsächlich schon einer und wartete auf ihn: Albert Schweitzer höchstpersönlich! Dieser begrüßte den jungen Mann, packte dessen beide schweren Koffer und lief ihm voraus durch den Busch bis zum Hospital. «Nie zuvor und nie danach habe ich nochmals solche Demut erlebt», schrieb der Theologe später, «es war mir fast peinlich. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass Albert Schweitzer meine Koffer trug! Er, dieser berühmte Mann, dem ich doch eigentlich die Schuhe putzen müsste! …»

Und genau so einer war Franz Mohr. Nie hat er den großen Meister herausgekehrt, sondern hat immer auf die anderen gezeigt: auf die großen Maestros, denen er dienen durfte. Und auf DEN allergrößten Meister aller Meister, in dessen Dienst er sich lebenslang sah, nachdem er als junger Mann während des Zweiten Weltkriegs im komplett zerbombten deutschen Düren wie durch ein Wunder überlebt hatte und sich in den USA ein neues Leben aufbauen durfte. Er wollte seinem Herrn Jesus Christus bis zum letzten Tag seines Erdenlebens in Dankbarkeit dienen, und das hat er dann mit seiner Frau Elisabeth zusammen auch getan. Weltweit konnte er Vorträge halten, sogar einige Male im «White House» bei den amerikanischen Präsidenten, und vermochte dort mit seinem fantastischen Storytelling alle zu packen und manchmal auch direkt ins innere Gebet zu führen, egal ob sie nun gläubig waren oder nicht.

Letzte Woche ist Franz Mohr nun heimgegangen. Er wurde 95 Jahre alt. Ich sage so etwas sonst fast nie, aber: Ich habe in meinem bisherigen Leben wohl kaum je einen besseren, eindrücklicheren und sympathischeren Menschen getroffen als ihn. Er war im allerbesten Sinne «outstanding». Es würde mich nicht einmal wundern, wenn unser Vater im Himmel dasselbe denken würde über ihn! … Jedenfalls gab es bei Franz ein Lebensmotto: «The best is yet to come!» Jetzt darf er das erleben und erfahren. – Danke für alles, Franz! Ich weine. Nicht aus Trauer, sondern weil ich Dich kennen durfte und Du mir ein Leuchtturm warst, ein Wegweiser, ein Mutmacher, ein Vorbild.

Christian Meyer, Lektorat Fontis-Verlag Basel

P.S. Vielleicht darf ich hier das wunderbare Buch von Franz Mohr empfehlen:

Am Anschlag der großen Maestros  

«Am Anschlag der großen Maestros» kostet nur noch sehr wenig. Wir hatten es 2013 nochmals veröffentlicht, nachdem wir es zuvor bereits über 25.000-mal verkauft hatten.

 

Ebenso eindrücklich ist Franz Mohr’s Hörbuch «Mein Leben mit den großen Pianisten»:

Mein Leben mit den grossen Pianisten

Es ist ebenfalls sehr kostengünstig. Franz spricht auf allen 4 CD’s selber und erzählt wunderbare und tief bewegende Anekdoten und Reminiszenzen aus seinem Leben.

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