So erkennst du nachhaltige Modelabels

Nachhaltiges Modelabel

Immer mehr Modelabels in der schnelllebigen «Fast Fashion»-Industrie produzieren und arbeiten nachhaltig. Auch bekannte Marken bieten mittlerweile nachhaltige Produktlinien an. Doch wann handelt es sich um echte Veränderung und wann nur um Greenwashing, also cleveres Marketing? Wir zeigen dir, woran du nachhaltige Modelabels erkennen kannst.

Besonders im deutschsprachigen Raum steigt der Trend, unsere Wegwerfgesellschaft in Frage zu stellen. Viele Menschen fangen an, ethische und ökologische Folgen ihres Konsums zu hinterfragen. Dennoch spiegelt sich das steigende Bewusstsein für nachhaltige Mode häufig nicht im Konsumverhalten wider. Nach dem Slow Fashion Monitor 2021 sind 79 Prozent der Konsumierenden aufgeschlossen gegenüber nachhaltiger Produktqualität, jedoch besitzen nur 8 Prozent mehrere fair und umweltfreundlich produzierte Kleidungsstücke.

Doch warum zögern wir mit dem Kauf von nachhaltigen Produkten? Ein Grund für die fehlende Kaufbereitschaft stellt ein teilweise sehr undurchsichtiger Markt dar. Die sogenannte Slow Fashion Industrie wird von Anbietern, die Nachhaltigkeit als ein Aushängeschild haben, überschwemmt. Slow Fashion beschreibt den gesamten entschleunigten Lebenszyklus von Kleidung. Dazu zählen alle Prozesse von der bewussten Rohstoffproduktion, der hochwertigen Textilverarbeitung bis hin zum umweltfreundlichen Versand.

Bei näherem Betrachten eines Modelabels fällt jedoch oftmals auf, dass eine oder mehrere Teile der Wertschöpfungskette keine soziale und ökologische Nachhaltigkeit aufweisen. Umso wichtiger ist es, die Kriterien zu kennen, anhand welchen du eine garantierte Nachhaltigkeit erkennen kannst. Denn es gilt: Je transparenter das Modelabel, desto vertrauenswürdiger ist es.

Kriterien für ein tatsächlich nachhaltiges Modelabel

Um Slow Fashion zu garantieren, können Nachhaltigkeitssiegel hilfreich für dich sein. Das Problem dabei: Diese Zertifikate sind noch nicht allzu bekannt und deshalb auch von nur wenigen Modelabels in Gebrauch.

Das bedeutet aber nicht, dass du vollkommen machtlos in der Auswahl von tatsächlicher Nachhaltigkeit bist! Um auch ohne Zertifizierungssystem schnell herauszufinden, ob ein nachhaltiges Modelabel als Slow Fashion kategorisiert werden kann oder ob Greenwashing vorliegt, gibt es 4 wichtige Kriterien. Wir prüfen anhand der Kriterien beispielhaft die Unternehmensstruktur von «KitePride». Das Modelabel stellt robuste, widerstandsfähige und ultraleichte Taschen und Rucksäcke her.

1. Die Unternehmensgeschichte

Jeder Slow Fashion Anbieter erklärt auf seiner Website, wie es zur Gründung kam. Hier kannst du schnell herausfinden, aus welcher intrinsischen Motivation es zum Aufbau des Modelabels kam und ob diese glaubwürdig klingt.

Bei KitePride stand in erster Linie nicht das Upcycling von Textilien im Vordergrund. KitePride Gründerin Tabea Oppliger hat sich 2010 aus einer einschneidenden Begegnung mit einer Prostituierten im Rotlichtbezirk von Zürich zu der Geschäftsidee entschlossen. Sie gab ihr zu verstehen, dass sie kein Mitleid brauchte, sondern einen Job, um der Zwangsprostitution zu entkommen. Zusammen mit ihrem Mann Matthias Oppliger entwickelte Tabea das Geschäftsmodell, ehemaligen Prostituierten als ernstgenommene Mitarbeitende in einem sicheren Umfeld ein Arbeitsplatz zu bieten. Eine schwere Aufgabe, denn Menschen aus der Modernen Sklaverei haben alle ein Trauma zu bewältigen. Zudem brauchen sie nicht nur einen Job, sondern auch eine neue Wohnung und müssen oftmals ihre hohen Schulden abbezahlen. Es brauchte also einen ganzheitlichen Ansatz. Die Geschichte hinter KitePride kannst du auf unserer Website anschauen.

2. Die Rohstoffe

Bei diesem Kriterium geht es darum, zu prüfen, ob das Unternehmen mit Bio-Baumwolle, Naturfasern oder recycelten Fasern arbeitet. Gibt dir das Modelabel offen Aufschluss darüber, wo die Textilerzeugung stattfindet? Die Rohstoffgewinnung spielt dabei eine bedeutende Rolle. Werden Bio-Standards bei der Produktion von Naturfasern verwendet, verringert das erheblich den Chemikalieneinsatz und schützt Böden und den Wasserkreislauf vor Verschmutzung. Der Einsatz von recycelten Fasern verhindert vor allem, dass Mikroplastik in den natürlichen Umlauf gerät.  …

Die Rohstoffe, die KitePride verwendet, sind gebrauchtes Kitesurfmaterial, Yachtsegel und Fallschirme. Diese werden von Privatpersonen direkt an die Produktionsstelle in Tel Aviv gespendet, oder an den sogenannten Drop Off Points, wie Kiteschulen, Surfshops oder Sky Diving Centern gesammelt. In Israel gibt es davon 11 Stellen, an denen das Material in bestimmten Zeitabständen von KitePride selber mit dem Liefervan abgeholt wird. Diese Aufgabe übernimmt die Gründerin Tabea auch gerne persönlich. Gibt es genügend Materialspenden an den sieben weltweiten Drop Off Points, werden diese dann nach Israel geschickt. Einige KitePride-Spender kannst du hier kennenlernen.

3. Die Weiterverarbeitung und Arbeitsbedingungen

Als nächstes lohnt es sich, herauszufinden, wie und wo die Rohstoffe weiterverarbeitet werden. Gibt das Modelabel Aufschluss darüber, wer die Textilien näht und unter welchen Arbeitsbedingungen?

KitePride hat seine Produktionsstelle im Herzen von Tel Aviv. Neben dem Werksverkauf, dem Büro und der gemeinsamen Küche, befindet sich die Produktionswerkstatt. Wie eine Familie arbeiten Näherinnen und Näher, Designer und das BackOffice Team gemeinsam in den selben Räumlichkeiten. Jeden Mittag wird von einem Freiwilligen gesund und ausgewogen für alle gekocht und gemeinsam gegessen.

Da es der Wiedereingliederung von Menschen aus der Zwangsprostitution, wie bereits erwähnt, eines ganzheitlichen Ansatzes bedarf, ist ein Team von Sozialarbeitern ebenfalls immer vor Ort. Gleichzeitig durchlaufen die Angestellten ein 24-monatiges Ausbildungsprogramm, das von der Schweizer NGO GlobalAct zusammen mit der israelischen NGO Hopecenter organisiert und durchgeführt wird. Die ersten drei Monate werden sie an einen geregelten Tagesablauf gewöhnt und ihnen wird grundlegende schulische Bildung vermittelt.

Jeder Produktionsschritt wird bei KitePride händisch durchgeführt. Zudem versucht das Social Business, alle gespendeten Materialen so weit wie möglich zu verarbeiten. So werden die Leinen der Kitesurfsegel an die Reißverschlüsse der Taschen montiert. Gespendete Neoprenanzüge werden so zurechtgeschnitten, dass sie als Polster des Innenfutter für die Laptoptaschen agieren können.

4. Die Auslieferung

Viele nachhaltige Modelabels liefern ins Ausland, um auf weiteren Märkten ihre Produkte zu vertreiben und bekannter zu werden. Werden dabei für einzelne Produkte lange Wege überwunden, so wird durch die Schadstoffbelastung der Umwelt aufgrund von Flugwegen der eigentliche ökologische Sinn der Textilien zunichte.

Um dies vorzubeugen, arbeitet KitePride mit Fontis. Als lokaler Distributionspartner für den deutschsprachigen Raum kannst du dir eine KitePride Tasche direkt in den Fontis-Shops besorgen oder online auf der Fontis Website bestellen. So sparst du Emissionen und kannst es trotzdem ermöglichen, einem Menschen aus der modernen Sklaverei in Israel zu helfen. Gleichzeitig sorgst du dafür, dass unsere Meere mit weniger Müll belastet werden.

Recherche lohnt sich

Du bist der Fast Fashion Industrie keinesfalls ausgeliefert. Mit nur wenig Recherche können wir mehr Transparenz schaffen! Wichtig dabei ist es, auf den gesamten Lieferketten- und Wertschöpfungsprozess des Modelabels zu achten, sowie auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wenn ein Modelabel einen Produktionsschritt nicht offen kommuniziert, sei skeptisch und frage direkt beim Anbieter nach. Wirkliche Slow Fashion kann nicht günstig sein, wenn alle diese Punkte beachtet wurden. Teuer heißt aber auch nicht gleich nachhaltig. Deswegen informiere dich und trage mit Stolz Slow Fashion, wenn du weißt, wo es herkommt und wie es hergestellt wurde.

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